Am 8. Oktober 2024 verabschiedete der Rat der Europäischen Union die Verordnung 2024/2642. Diese Verordnung implementiert einen neuen Rahmen für restriktive Maßnahmen, der als Reaktion auf Russlands destabilisierende Aktivitäten eingeführt wurde.
Die Maßnahmen umfassen die „üblichen“ Finanzsanktionen, nämlich
- Einfrieren sämtlicher Gelder und wirtschaftlicher Ressourcen und
- Verbot der zur Verfügungstellung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen
Der Anhang I, in dem die betroffenen natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen enthalten wird, ist noch ohne Eintrag.
Die wissentliche oder grob fahrlässige aktive oder passive Beteiligung an der Umgehung der Sanktionen ist verboten.
Definition „destabilisierende Aktivitäten“
In Art. 2 Abs.3 wird definiert, was die EU unter „destabilisierende Aktivitäten“ versteht:
[…] Handlungen oder politische Maßnahmen der Regierung der Russischen Föderation, die die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Stabilität oder Sicherheit in der Union, in einem oder mehreren ihrer Mitgliedstaaten, in einer internationalen Organisation oder in einem Drittland untergraben oder bedrohen oder die Souveränität oder Unabhängigkeit in einem oder mehreren ihrer Mitgliedstaaten oder in einem Drittland untergraben oder bedrohen, durch eine der folgenden Handlungen verantwortlich sind, diese durch eine der folgenden Handlungen umsetzen oder unterstützen oder davon profitieren […]
Hierunter fällt die […] Planung, Steuerung, unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an oder anderweitige Erleichterung
- der Behinderung oder Untergrabung des demokratischen politischen Prozesses, einschließlich indem die Abhaltung von Wahlen behindert oder ernsthaft untergraben wird oder durch den Versuch, die verfassungsmäßige Ordnung zu destabilisieren oder zu stürzen,
- von gewaltsamen Demonstrationen
- von Gewalttaten, einschließlich Aktivitäten, die dazu dienen, Personen, die Kritik an den Handlungen oder politischen Maßnahmen der Russischen Föderation äußern, zum Schweigen zu bringen oder solche Personen einzuschüchtern, zu nötigen oder gezielt Vergeltung gegen solche Personen auszuüben,
- des Einsatzes koordinierter Informationsmanipulation und Einflussnahme,
- von Handlungen, die sich gegen das Funktionieren von demokratischen Institutionen, Wirtschaftstätigkeiten oder Dienstleistungen von öffentlichem Interesse richten, einschließlich durch unerlaubte Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats – einschließlich seines Luftraums –, oder darauf abzielen, kritische Infrastrukturen – einschließlich der unterseeischen Infrastruktur – zu stören, zu schädigen oder zu zerstören, einschließlich durch Sabotage oder böswilliger Cyberaktivitäten als Teil von hybriden Aktivitäten
- der in Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2024/1359 genannten Instrumentalisierung von Migranten
Außerdem
- die Ausnutzung eines bewaffneten Konflikts, einer Instabilität oder einer Unsicherheit, auch durch die unerlaubte Ausbeutung von natürlichen Ressourcen und wild lebenden Tieren und Pflanzen oder den unerlaubten Handel damit, und
- die Anstiftung oder Erleichterung eines bewaffneten Konflikts in einem Drittland.
Bewertung
Der neue Sanktionsrahmen soll lt. Pressemitteilung die EU in die Lage zu versetzen, „hybride Bedrohungen zu bewältigen“.
Ob dieses Ziel durch die Verhängung konventioneller Finanzsanktionen erreicht werden kann, erscheint fraglich:
Die Akteure destabilisierender Aktivitäten arbeiten eher im Verborgenen und sind entsprechend schwer zu identifizieren. Andernfalls wäre diesen ja mit den herkömmlichen Mitteln der Strafverfolgung beizukommen.
So ist die Voraussage nicht weit hergeholt, dass diese Sanktionsmaßnahmen wieder einem „Hase und Igel“- Spiel gleichen werden, in dem die sanktionierten Personen zum Zeitpunkt ihrer Listung schon längst nicht mehr aktiv sind und die Destabilisierung durch andere, noch schlechter zu identifizierende Akteure nahtlos weitergeführt wird.
Die EU ist der Rechtsstaatlichkeit, und damit auch der Sorgfalt und Gründlichkeit verpflichtet. Diese Prinzipien verlangsamen die Reaktionsfähigkeit der eh schon nicht für besondere Agilität bekannten Institutionen und werden im Abwehrkampf gegen die Feinde der verfassungsmäßigen Ordnung naturgemäß zum operativen Nachteil.